AdWords weicht Exact Match (weiter) auf

21. März 2017 | Von in SEA

Google hat angekündigt, die restriktivste AdWords-Keyword-Option “Genau passend” (bzw. “Exact Match”) in Zukunft locker handhaben zu wollen. Betroffen sind zunächst nur englische und spanische Keywords; weitere Sprachen sollen im Laufe des Jahres folgen.

Status Quo

Bucht man bei AdWords ein Keyword mit der Option “Genau passend” ein (Schreibweise: [keyword]), dann können Anzeigen auch nur dann geschaltet werden, wenn die Suchanfrage eines Nutzers genau mit dem Keyword übereinstimmt. “Genau”, das schließt schon lange auch bestimmte Variationen (z. B. Rechtschreibfehler, Singular und Plural) mit ein. Die einzelnen Wörter können also leicht abgewandelt in der Suchanfrage vorkommen, müssen aber alle in der richtigen Reihenfolge vorhanden sein. Zusätzliche Wörter dürfen nicht in der Suchanfrage vorkommen.

Beispiel: Das Keyword [restaurant münchen] passt auf:

  • restuarant müncheen (Rechtschreibfehler)
  • restaurants münchen (Plural)

Aber nicht auf:

  • restaurant in münchen (zusätzliches Wort)
  • münchen restaurant (andere Wortreihenfolge)

Das möchte Google nun ändern.

Funktionswörter

In Zukunft will Google Funktionswörter im Zusammenhang mit der Keyword-Option genau passend ignorieren. Gemeint sind damit generell solche Wörter, die die Bedeutung der Suchanfrage nicht verändern, etwa das “in” im Beispiel “restaurant in münchen”.

Ignoriert werden Funktionswörter sowohl im Keyword als auch in der Suchanfrage. Somit können in diesem Zusammenhang drei Fälle auftreten, in denen ein Keyword eine Anzeigenschaltung auslöst:

  1. Die Suchanfrage enthält Funktionswörter, die nicht im Keyword enthalten sind.
  2. Das Keyword enthält Funktionswörter, die nicht in der Suchanfrage enthalten sind.
  3. Keyword und Suchanfrage enthalten verschiedene Funktionswörter. Beispiel: nachrichten von heute, nachrichten für heute

Ändert sich die Bedeutung durch ein Funktionswort, soll das Funktionswort nicht ignoriert werden. So soll das “nach” aus [flug nach münchen] beispielsweise nicht ignoriert werden, weil “flug von münchen” eine andere Bedeutung hätte.

Wortstellungen

Weiterhin sollen Wortreihenfolgen variieren dürfen, so dass das Keyword [restaurant münchen] eben doch auf die umgedrehte Suchanfrage “münchen restaurant” passt. Auch hier gilt, dass Google nur solche Variationen abdecken will, bei denen sich die Bedeutung nicht ändert. So soll also [flug berlin münchen] nicht auf [flug münchen berlin] abgebildet werden.

In Kombination…

Durch die Kombination von unterschiedlichen Wortstellungen und den verschiedenen Funktionswörtern sowie den altbekannten Varianten entstehen in Einzelfällen überraschend viele potenziell passende Suchanfragen.

Sehr interessant finde ich in diesem Zusammenhang das letzte von Googles Beispielen:

Im letzten Beispiel passt “bahamas cruise from miami” auf “miami to bahamas cruise”. Hier wurde das Funktionswort geändert, was die Richtung der gesuchten Reise umdreht. Gleichzeitig wurde auch die Wortreihenfolge geändert, was die Richtung noch mal ändert. Da sich beides ausgleicht, passt das Ergebnis wieder.

Semantik vs. Deutsch

Brad Geddes hat es in seinem Post zu diesem Thema recht treffend beschrieben: Beim neuen Exact Match geht es um Semantik, also um eine übereinstimmende Bedeutung von Keyword und Suchanfrage. Brad weist dabei auf verschiedene Beispiele hin, bei denen sich die Bedeutung der Suchanfrage durch Googles Umstellungen doch wieder ändern könnte. Laut Google soll eine Veränderung der Bedeutung aber nicht passieren.

Hier sehe ich zwei Probleme, die momentan für Ungewissheit sorgen. Zum einen ist unklar, inwiefern Google tatsächlich in der Lage ist, die Bedeutung im Einzelfall zu erkennen. Googles Ankündigung ist da auffallend vorsichtig und spricht nur davon, wie es funktionieren sollte. Es klingt stark danach, als sei man sich bewusst, dass das nicht immer klappen kann. Offen bleibt, mit welcher Fehlerquote wir rechnen müssen.

Zum anderen hat Google im Zusammenhang mit nahen Varianten die Semantik gerne mal vernachlässigt und Anzeigen auch bei weniger passenden, aber “technisch erlaubten” Variationen gezeigt. Das betrifft vor allem die im Deutschen wichtigen Wortstammvariationen, bei denen z. B. “laufschuhe” auf “laufen” passen kann. Im Englischen spielen diese eine eher untergeordnete Rolle (z. B. bei “parking” und “park”), aber da wir im Deutschen viele Wörter zusammensetzen (z. B. “laufschuhe” im Vergleich zu “running shoes”) betrifft uns das stärker.

Weil sich bei Wortstammvariationen oftmals auch die Bedeutung ändert, bleibt abzuwarten, wie Google damit umgehen will. Es ist gut möglich, dass Google die selbst gesetzten Spielregeln erst mal voll ausreizt, so dass einige bedeutungsverändernde Variationen möglich sind. In der Vergangenheit hat sich das System quasi selbst korrigiert, sobald offensichtlich wurde, dass die Klickraten bei unsinnigen Suchanfragen entsprechend gering waren.

In jedem Fall dürfte es noch einige Monate dauern, bis wir hierzulande von der Neuerung betroffen sind. Wie gesagt: Google fängt mit Englisch und Spanisch an.

Einschätzung

Es ist ein altes Spiel und wir haben es schon einige Male gespielt: Mal wieder weicht Google die restriktivste Keyword-Option auf und verkauft uns das als großartige Nachricht. Laut Google müsse man jetzt eben keine ausufernden Keywordlisten mehr aufbauen, was doch toll sei. Das ist natürlich Unsinn, da man für die breitere Abdeckung schon immer auf die anderen Keyword-Optionen zurückgreifen konnte.

Hinzu kommt, dass man ausufernde Keywordlisten vor allem im Zusammenhang mit ausschließenden Keywords benötigt, da hier nach wie vor die ganz alten Regeln gelten. Wer also verhindern möchte, dass Anzeigen bei unsinnigen Suchanfragen erscheinen, muss sich also weiterhin die Mühe machen, alle Variationen explizit auszuschließen.

Wie gesagt, das Spiel ist alt und allen ist klar, dass Google einfach nur mehr Anzeigen schalten und mehr Geld verdienen möchte. Laut ersten Tests von Google soll das neue Matching-Verhalten im Schnitt nur zu 3% mehr Klicks führen, was andeuten könnte, dass alles halb so wild sein könnte.

Ich vermute allerdings, dass die 3% wirklich nur ein wenig aussagekräftiger Durchschnitt sind. Bei halbwegs fortgeschrittenen Werbetreibenden dürfte die Zahl bei 0 liegen, da andere Keyword-Optionen die neuen Varianten längst abdecken. Ich habe allerdings auch schon viele Konten gesehen, bei denen alle Keywords als genau passend eingebucht wurden, um maximale Kontrolle zu gewährleisten. In solchen Fällen könnte sich einiges ändern.

Zu beachten ist noch der Aspekt der Aussteuerung. Exakt passende Keywords sind oftmals mit höheren Geboten versehen, weil sie vermeintlich relevanter sind. Wenn Google diese in Zukunft häufiger zum Zug kommen lässt, könnte das zu höheren Geboten führen – zumindest, bis Werbetreibende gegensteuern.

Alles in allem bin ich nicht begeistert, aber letztlich müssen wir uns wohl damit arrangieren, dass Google uns einen Teil der Kontrolle wegnimmt. Warten wir mal ab, was unsere US-Kollegen in den nächsten Monaten berichten und wann Google die Änderung auch hierzulande einführt.

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Martin Röttgerding

Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.

Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.

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