Marke werden? Ja, gerne! Aber wie?

10. Juli 2014 | Von in SEO

Ich bin gestern in der Wirtschaftswoche über einen Artikel gestolpert (“Das langsame Sterben der Marken“), der mich nachdenklich gestimmt hat. In dem Artikel wird beschrieben, weshalb viele starke, vertraute Marken in kleinen Schritten sterben. Ich habe mich mal im Sinne unserer Arbeit damit beschäftigt und möchte zeigen, weshalb ich in dem, was dort beschrieben wird, für kleine und mittlere Unternehmen eine Chance sehe …

Gründe für “das Sterben” von Marken

Als Gründe für das Sterben der Marken (genannt werden dort natürlich oft die großen) werden im Artikel etwa folgende genannt:

1. Neben der klassischen Werbung müssen Unternehmen immer mehr Disziplinen bespielen.
2. Den Marketing-Verantwortlichen entgleitet die Markenführung durch zu viele Mitspieler.
3. Beim Endverbraucher kommt die Marke nicht mehr an.
4. “Die Marken ereifern sich in kurzfristigen Aktionen, in Preisnachlässen, in Vertriebsmaßnahmen statt in Markenaufbau und Markenpflege.”

Es fehlt also, kurzum, an einer übergeordneten Strategie. An Langfristigkeit. An Kontrolle. Vor allem an Kontrolle durch die Markeninhaber.

Wer hat den Hut auf?

Weiterhin: “Früher war das alles einfacher. Da verantwortete eine Werbeagentur die gesamte Kommunikationsarbeit: Von der Marktforschung über Media und klassische Werbung bis hin zur Händlerkommunikation. Sie hatte den „Lead“. Diese Zeiten sind vorbei. Die Werbeagenturen haben die Mediaansprache der Verbraucher aus der Hand gegeben und man wirft ihnen vor, viel zu spät auf den digitalen Zug aufgesprungen zu sein. Ihr mangelndes Verständnis für Online kaschierten sie mit dem Aufkauf von Online-Agenturen, die sie jedoch kaum in ihre Arbeit integrierten.”

Für mich als ehemaligen Werbeagentur-Menschen und jetzt Online Marketer im weitesten Sinne ist das nicht unbedingt Neuland. Ähnliche Diskussionen wurden früher schon geführt. Man lese nur viele alte Ausgaben der W&V durch, wo immer wieder dieselben Probleme postuliert werden (OK, OK, die W&V findet immer alles ganz schlimm. Dennoch). Das sich am Wert der Markenbeständigkeit im Verlauf der Jahre nicht viel geändert hat, ist immerhin positiv. Doch ich möchte hier darauf hinaus, dass die – ich nenne es mal – Behäbigkeit der großen Marken für kleine und mittlere Unternehmen eine Chance bedeutet.

Content Strategisten als Leader?

Die Wirtschaftswoche drängt im Artikel darauf, “Content Strategisten” den Hut aufzusetzen, den Lead über die Marke zu geben. Mit der Begründung: “Sie setzen dort an, wo die Marke ihren Kern besitzt, wo sie sich unterscheidet, wo sie sich dem Verbraucher erklärt.”, vulgo dem Story Telling. Ich sehe das allerdings ganz anders …

Marke ist CEO-, mindestens aber CMO-Sache

Eine Marke ist zwar auch, aber nicht nur eine Geschichte, die verkauft wird – sie ist viel mehr als das. Sie birgt gleichzeitig verschiedene Aussagen zu beispielsweise Qualität, Bekanntheit, Expertise und selbst Preis (und viele andere natürlich) in sich, die allesamt eine Rolle spielen bei der Bewertung durch andere. Die Marke spielt in so vielen Disziplinen mit, dass sie zum Leitbild des Unternehmens werden muss. In jeder Beziehung. Und darum kann sie nur Chefsache sein, der Geschäftsführer oder Inhaber, mindestens aber der Marketingleiter, muss her, um sie zu definieren und zu lenken. Das ist meiner Meinung nach keine Aufgabe, die mal eben delegiert werden kann, etwa an Agenturen. Diese können und sollen Impulse setzen, wohin die Reise mit einer Marke gehen kann, müssen und sollen Lücken im Portfolio aufdecken, spezielle Aufgaben erfüllen, Daten auswerten und Nischen suchen, in denen eine Marke stark sein kann. Entscheiden jedoch muss der Markeninhaber.

Darum eine Chance für KMU

Was dem einen Leid, kann des anderen Freud sein. Wenn also in Zeiten, in denen vielfach kleinere Marken schnell Aussichten auf Erfolg haben (OK, der ist nicht immer nachhaltig, sondern oftmals Hypes geschuldet, aber das ist Schritt zwei) und die großen durch Behäbigkeit, durch unflexible Strukturen und breite Streuung oftmals schwächeln, bieten sich Chancen für die kleinen. Sie können die entstehenden Lücken nutzen. Nur, wie bekomme ich das vermittelt?

Man stelle sich Folgendes vor: Ich als Berater stehe vor einem Kleinunternehmer und versuche ihn davon zu überzeugen, dass sein Unternehmen eine Marke werden muss, um langfristig im Haifischbecken bestehen zu können. Reaktion: “Oh, aber ich habe kein Geld, keine Zeit und obendrein sehe ich die Notwendigkeit nicht – bislang ging es doch ohne dieses Marken-Zeug.” Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das erlebe. Ich glaube allerdings, dass vielfach Vorurteile Schuld daran sind, dass sich “die Kleinen” nicht mit dem Markenbegriff auseinandersetzen. Da wird dann schnell gesagt: “Damit kenne ich mich nicht aus” oder “Wer soll sich denn darum kümmern?”.

Aber in Hinblick auf den Wirtschaftswoche-Artikel bin ich der festen Überzeugung, dass es noch nie so leicht war, eine Marke zu werden. Man muss häufig (naja) nur die richtigen Ideen haben und sie pfiffig umsetzen. Wenn die großen schon schwächeln und die Verbraucher sich den kleinen Marken schneller zuwenden, ist die Möglichkeit immerhin gegeben. Wenn Unternehmen davor zurückschrecken, ein Markenbild zu formulieren und ihr Unternehmen darauf auszurichten, weil es angeblich so kompliziert ist, dann haben sie sich vermutlich nur noch nie die richtigen Fragen gestellt oder die passende Nische zugelegt. Da wird dann von Shopbetreiber X versucht, ein vierzehntes Zalando zu werden, und Shopbetreiber Y versucht, ein hundertstes Amazon darzustellen. Dass der Erfolg mit dieser Strategie ausbleibt, dürfte jedem (außer dem Shopbetreiber) klar sein.

Nischen suchen

Unterscheidbarkeit und “Besetzung eines Themas” ist das Mittel der Wahl. Ein Beispiel: Angenommen, ich wäre Radrennprofi. Vorausgesetzt, die Preise stimmen, gehe ich in den meisten Fällen doch lieber zu einem Spezialisten, der mich zu meinem Thema gut berät als zu einem Fahrradgroßhandel, der vom Rollator bis zum Chopper alles anbietet, was Räder hat. Da möchte ich doch lieber jemanden besuchen, der mich zum Radkauf super berät und der den ganzen Tag über nichts anderes spricht als über Rennräder und Zubehör. Wenn ich einen guten Wein suche, gehe ich zum Weinhandel (wenn vorhanden) und nicht in den Supermarkt.

Ich unterscheide also, weil ich den Unterschied zwischen Massenabwicklung und Spezialistentum genau erkennen kann. Und selbst zwischen verschiedenen Spezialisten muss ich mich am Ende entscheiden. Warum? Was sind die Kriterien dafür? Es ist bei weitem nicht nur der Preis, der diese Entscheidung ermöglicht. Es sind unter anderem die Nischen, die man besetzt. Dahinter kann eine Geschichte (Story Telling) stehen (= Erlebnis verkaufen) oder aber ein klares Bekenntnis zu einer Sache (etwa der beste Service im Land oder der Spezialist nur für Mountainbikes). Letztlich ist aber die Unterscheidbarkeit in vielen Fällen ausschlaggebend. Und die ist letztlich von ganz oben zu definieren.

Natürlich kann sich ein Inhaber, Geschäftsführer, CEO dabei Hilfe suchen.

Die richtigen Fragen stellen

Der Weg zur Marke ist nicht einfach. Vieles, wenn nicht alles, im Unternehmen muss sich dem unterordnen. Und das hat auch eine ganze Menge mit Leidenschaft zu tun. Und die muss gelegentlich geweckt werden.

Ich persönlich bin daher kein großer Freund von ellenlangen Listen mit Aufgaben, die die eine oder andere Agentur dem Geschäftsführer vorlegt. Oder noch schlimmer: Verklausulierte Szenarien oder Zielgruppenanalysen. Da stehen dann so viele teilenglische Schlagworte, dass die meisten “normalen” Geschäftsführer geistig schon vom Zug abspringen, bevor der überhaupt losgefahren ist. Da stehen soooo viele abstrahierte Anweisungen, die jedem schon aufgrund der Länge der Liste die Lust von vorneherein nehmen weiterzumachen, geschweige denn, ob man es jemals schaffen wird, daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten oder sie bis zum letzten Punkt überhaupt zu lesen.

Ich mag in der Hinsicht folgenden Spruch sehr gerne:

“Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.” (Antoine de Saint-Exupéry)

Ich mag Fragen, die im Gegenüber die Rädchen zum Drehen bringen. Eine Frage, die ich in letzter Zeit häufiger meinen Kunden gestellt habe, ist etwa: “Warum solltest du mit deinem Shop|Unternehmen|… in den Suchergebnissen vor dem Marktführer stehen? Warum sollte ausgerechnet Google dich dort platzieren?”

Die Antwort darauf ist irgendwie obligatorisch, wird aber dennoch nicht als selbstverständlich angesehen: “Du musst mit deinem Shop|Unternehmen|… so gut sein, dass es für Google geradezu peinlich ist, dass du nicht vorne bist.”

Wer sich dieser Frage ernsthaft stellt, wird oftmals schon die richtigen Maßnahmen wählen. Ganz von alleine.

Marke? Ja gerne!

Die richtigen Fragen zu stellen, um sich selbst auf den Weg zur Marke zu machen, ist genau die Chance, die ich für viele Unternehmen sehe. Dass dabei ganz nebenbei gute Suchergebnis-Rankings möglich sind, muss ich als SEO hier nicht mehr erwähnen. Ich verstehe nicht zuletzt im SEO-Zusammenhang daher nicht, weshalb nicht schon viel mehr Unternehmen sich damit beschäftigen.

 

Das ist letztlich einer der Gründe, warum ich in meinem Webinar (hier der Blogpost zu unseren Webinaren) das Thema genauer erläutern möchte. Konkret am 29. August um 10 Uhr geht’s dann in “Brand-Stiftung: So wird man eine Marke!” unter anderem um die richtigen Fragen. Wer Lust hat auf eine hoffentlich inspirative Session mit mir ist herzlich eingeladen. Ist bekanntermaßen kostenlos.

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Maik Bruns

Maik Bruns war bis 2017 Berater für SEO und Webanalyse in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion. Als Online-Marketing-Enthusiast schrieb er zu diesen Themen im Bloofusion-Blog (damals: Die Internetkapitäne), im SEO-, SEA- und E-Commerce-Magazin suchradar und natürlich bei Twitter und Google+.

Maik Bruns ist unter anderem in den folgenden sozialen Netzwerken zu finden:

3 Kommentare zu “Marke werden? Ja, gerne! Aber wie?”

  1. Avatar-Foto tom

    Gute und wichtige Ausführung, Maik!

    “Behäbigkeit der großen Marken” – sehe ich auch so!
    Marke ist CEO-, mindestens aber CMO-Sache – absolut richtig. Doch gerade diese halten nur allzu oft an alten Zöpfen fest! Daher ist frischer Wind durch Agenturen, die die Marke und Ihre gewünschte Platzierung VERSTEHEN oftmals sogar förderlich. Und da kommt Deine Aussage “Man muss häufig (naja) nur die richtigen Ideen haben und sie pfiffig umsetzen” ins Spiel!

    Was hier nicht erwähnt wurde: einer der größten Markenkiller sind die in Massen auf den Markt strömenden Eigenmarken in allen Branchen und Facetten.

  2. Avatar-Foto Maik Bruns

    Du hast Recht: Agenturen können wichtige Impulsgeber sein – solange sie nicht versuchen, die Marke komplett umzubiegen. Oftmals wird sie dadurch weniger authentisch, denn das Unternehmen steht nicht mehr voll dahinter.

    Und ja: Eigenmarken verändern den Markt. Aber sie verändern dort, wo der Kunde offenbar nicht mehr an die alten Marken glaubt oder füllen zumindest Nischen aus (Preis), in denen die alten Marken nicht spielen wollen. Letztlich gibt es für jeden die passende Marke. Auch Eigenmarken.

  3. Avatar-Foto Marius

    Inspiration par excellence! Danke! 🙂

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