Branding-Anzeigen – lohnt sich das? (Teil 3)

5. September 2011 | Von in SEA

Am Donnerstag ging es zu diesem Thema um Markenbildung, am Freitag um die Aspekte Wettbewerbsabwehr und Qualitätsfaktor. Gerade wenn man AdWords aber nicht auf eigene Rechnung betreibt, sondern als Agentur oder auch Verantwortlicher in einem Unternehmen an jemand anderen berichtet, spielt im Zusammenhang mit Branding-Anzeigen auch der Aspekt Reporting eine Rolle. Hier treten immer mal wieder Interessenskonflikte auf, die teilweise nur ungern thematisiert werden. Ich wage es trotzdem mal, das Thema öffentlich anzuschneiden.

Verfälschte Statistiken

Der Ausgangspunkt: Traffic für den eigenen Unternehmensnamen lässt sich, aufgrund des hohen Qualitätsfaktors, sehr billig einkaufen. Gleichzeitig kommen hierüber besonders qualifizierte Besucher, so dass extrem hohe Conversion-Raten die Regel sind. Kurz: Vergleicht man Branding-Anzeigen mit normalen AdWords-Anzeigen, schneiden sie geradezu traumhaft ab.

Das Problem ist nun, dass die Statistiken von Branding-Anzeigen auch gerne mal mit den übrigen Statistiken vermischt werden. Im Ergebnis hat man dann geschönte Gesamtstatistiken, da die Branding-Ergebnisse verschiedene Durchschnittswerte enorm verbessern. Im Extremfall erscheint eine verlustreiche AdWords-Kampagne dadurch hochprofitabel.

Wenn diese Problematik diskutiert wird, werden üblicherweise namenlose Agenturen gescholten, die auf diese Weise ihre Kunden mit geschönten Statistiken mehr oder weniger hinters Licht führen. Wird dann auch noch erfolgsabhängig abgerechnet, könnte man das schon als Betrug ansehen. Seriöse Agenturen schaffen in der Regel Transparenz, indem sie Brand-Traffic separat ausweisen, etwa durch separate Kampagnen. Damit ist das Thema meistens schon beendet.

Versehentliche Branding-Anzeigen

Ich glaube allerdings, dass die Sache keineswegs so einfach ist, sondern deutlich mehr Schattierungen hat. Da wäre beispielsweise der “versehentlich” mitgenommene Brand-Traffic. Würde die Firma “Müller Laufschuhe” beispielsweise auf das Keyword “laufschuhe” bieten, so würde die zugehörige Anzeige ja auch für “müller laufschuhe” angezeigt. Der Brand-Traffic wäre dem Keyword “laufschuhe” aber gar nicht anzusehen, wenn man nicht tiefer gräbt und sich die Suchanfragen ansieht (und das Problem erkennt).

Das muss dann auch nicht immer an einer schlechten Agentur liegen: Wer seine AdWords-Kampagnen ohne professionelle Hilfe nebenbei selber steuert, tappt regelmäßig in solche Fallen. Zuweilen kommt es auch vor, dass generische Keywords von Google als “weitgehend passend” für Branding-Begriffe herangezogen werden und Anzeigenschaltungen auslösen. Je bekannter der Anbieter ist, desto stärker kommt dieser Effekt zum Tragen.

Auf der anderen Seite macht es Google einem auch nicht immer einfach, die Beimischung von Brand-Traffic gänzlich zu verhindern. Im Laufschuhe-Beispiel ließe sich das ja versuchen, indem man das Wort “müller” ausschließt. Erfahrungsgemäß gibt es aber immer noch eine Unmenge von Fehlschreibungen (“müllr”, “mueller”, u.v.m.), die man im Vorfeld gar nicht ausschließen kann.

Reporting durch die Hierarchie

In manchen Fällen wird der Brand-Traffic allerdings als notwendige Beimischung zur Aufbesserung der Gesamtergebnisse gesehen. So gibt die Autorin eines Artikels bei SearchEngineLand ganz freimütig zu:

Removal of brand keywords will seriously impact retailers’ ability to hit forecasted goals from this channel.

Und:

Removing brand keywords will result in shrinking efficiencies in terms of reported ROAS.

Das sind zwar einerseits krasse Aussagen, erweckt aber nicht den Eindruck als wolle die Autorin damit jemanden täuschen – bei der Agentur, die sie vertritt, kann ich mir das nicht vorstellen und sie hätte es dann wohl auch kaum auf SearchEngineLand geschrieben.

Ich glaube eher, dass sie auf etwas anderes anspielt. Denn bei aller Transparenz seitens der Agentur bleibt das Problem oftmals bestehen. Wenn die Agentur ihren Job richtig macht, sollte dem Ansprechpartner auf Kundenseite der Unterschied zwischen normalen und Branding-Kampagnen klar sein. Aber die Statistiken sehen oft auch Uneingeweihte, insbesondere, wenn die Zahlen innerhalb der Hierarchie weitergegeben werden. Dann werden eher Gesamtergebnisse betrachtet; Details wie die Unterscheidung der Kampagnen treten in den Hintergrund.

Dramatisch wird es, wenn Branding-Ergebnisse auf einmal nicht mehr in den Gesamtstatistiken enthalten sind, denn dann ändern sich die Gesamtergebnisse plötzlich radikal. Wenn dann am Jahresende die Geschäftsleitung die Budgets vergibt und einen schnellen Blick auf die Zahlen wirft, fehlt oft der Kontext. Die Kurve, die steil nach unten geht, wird dann zur Entscheidungsgrundlage.

Bei diesem Problem sind Agenturen eigentlich machtlos. Die Transparenz, Marken-Traffic gegenüber dem Kunden auszuweisen, sollte selbstverständlich sein und offensiv kommuniziert werden. Dass diese Differenzierung auch intern beim Kunden erhalten bleibt, ist aber alles andere als gewiss. Insofern muss man wohl sagen, dass Agenturen, genau wie interne SEM-Abteilungen, in bestimmten Konstellationen auch ein eigenes Interesse daran haben, dass Branding-Kampagnen nicht abgeschaltet werden.

Search Funnels

Soweit die üblicherweise diskutierte Problematik der Auswirkungen von Brand-Traffic auf SEM-Statistiken. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, nämlich die Berücksichtigung im “Search Funnel”. Denn es kommt ja durchaus vor, dass ein Besucher den Werbetreibenden zunächst über ein normales Keyword (“laufschuhe”) findet und dann später gezielt nach dem Anbieter sucht (“müller laufschuhe”). Klickt der Besucher dann auf die Branding-Anzeige, so wird AdWords eine mögliche Conversion dieser Branding-Anzeige zurechnen. Hätte es dagegen keine Branding-Anzeige gegeben, hätte die ursprüngliche Anzeige für das normale Keyword (“laufschuhe”) die Conversion verbucht.

Werden solche Ketten nicht gesondert bewertet, dann bewirkt das Vorhandensein von Brand-Anzeigen also, dass andere Anzeigen etwas schlechter dastehen. Wenn der Brand-Traffic dann separat betrachtet und als selbstverständlich angesehen wird, stehen die “richtigen” Kampagnen etwas schlechter da. In diesen Fällen bewirkt das Vorhandensein von Branding-Kampagnen also paradoxerweise eine Verschlechterung der Statistiken.

Interessant ist dieser Fall im Zusammenspiel zwischen Kunde und Agentur, wenn erfolgsabhängig vergütet wird, die Branding-Kampagne dabei aber (natürlich) außen vor bleibt. In diesem Fall wird es für den Kunden nämlich günstiger, wenn die Branding-Anzeigen einen Teil der Conversions “abfangen”. Für die Agentur ergibt sich dann also der Anreiz, keine Branding-Anzeigen zu schalten, so dass die Conversions (richtigerweise) den Kampagnen zugeschrieben werden, über die ein Kunde den Anbieter gefunden hat.

Fazit

Ob man Anzeigen für seine eigene Marke bzw. den eigenen Unternehmensnamen schalten soll, hängt vom Einzelfall ab. Im Hinblick auf Markenbildung ist das teilweise eine Philosophiefrage. Es gibt zwar Studien zu dem Thema, welche auch üblicherweise zu dem Schluss kommen, dass Marken-Anzeigen einen wertvollen Beitrag zur Markenbildung leisten. Ob man sich darauf verlässt, ist aber eine andere Frage. Auf jeden Fall lassen sich die eigenen Anzeigen leichter kontrollieren und anpassen als das Erscheinungsbild des organischen Listings.

Einfach ist die Entscheidung, wenn die eigene Marke von Konkurrenten belagert wird. Viele Werbetreibende versuchen allerdings, diesen Fall zu vermeiden und schließen teilweise auch Waffenstillstände mit ihren Konkurrenten.

Anbieter, deren Unternehmensname auch generische Begriffe enthält (“Müller Laufschuhe”), haben allerdings zwangsläufig so viel Konkurrenzanzeigen dabei, dass sie in der Regel nicht drum herum kommen, auf ihren Namen zu bieten.

Bevor man Branding-Anzeigen schaltet oder abschaltet, sollte man sich auch klar machen, welche Auswirkungen dies auf die Statistiken haben wird und welche Interessen davon berührt werden. Separate Kampagnen für Branding-Anzeigen sind zwar inzwischen weitgehend zum Standard geworden, allerdings ist das Thema damit in der Praxis oft noch nicht beendet – auch wenn alle Beteiligten einen Interessenskonflikt weit von sich weisen.

Nicht behandelt habe ich an dieser Stelle die Möglichkeit, den Effekt einer Zu- oder Abschaltung von Branding-Anzeigen einfach mal zu testen. Das kann man natürlich immer tun, allerdings lassen sich die Auswirkungen in der Disziplin Markenbildung schlecht messen.

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Martin Röttgerding

Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.

Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.

2 Kommentare zu “Branding-Anzeigen – lohnt sich das? (Teil 3)”

  1. Avatar-Foto Florian Muff

    Hi Martin
    Danke für den Beitrag. Bei Branding-Kampagnen würde ich so vorgehen, dass diese sicherlich als Eigenständige Kampagnen laufen. Somit kann einer Traffic bzw. Statistik Verfälschung der anderen Kampagnen vorgebeugt werden.

    Ich empfehle jedenfalls immer eine Brand-Kampagne zu erstellen, natürlich mit dem Hinweis an die Kunden, dass diese vorallem im CTR Bereich viel höhere Raten hat. Transparenz ist hier sicherlich angebracht.

    Im Hinblick auf den Qualityscore und den Einfluss der CTR-Kontoleistung ist schon dies ein Grund eine Brandkampagne zu fahren.

    Liebe Grüsse aus der Schweiz
    Florian

  2. Avatar-Foto Thorsten Eder

    Hallo Martin,

    ich finde die kleine Serie zu den Brandinganzeigen sehr gelungen. Aus meiner Erfahrung heraus ist dort auch alles Wesentliche behandelt worden. Mich hat gerade dieser letzte “Reporting-Teil” sehr interessiert.

    Bei besonders starken Marken haben die Brandanzeigen einen wesentlichen Anteil am Erfolg der SEA Kampagnen. Würde man die Brandkampagnen einstellen, würden wohl viele Budgets zusammengestrichen werden.

    Aber was tun, wenn eigentlich manche Keywords einer Brandkampagne nicht aus Marken- bzw. Wettbewerbergründen notwendig wären?

    Trotzdem weiterbuchen – nur um das Reporting zu verbessern? Das ist im Sinne eines Unternehmens nicht sinnvoll.

    Dem Geschäftsführer erklären weshalb SEA dann schlechter wird? Viel Spaß dabei – die Budgets würden wohl trotzdem gestrichen werden ;-).

    Eine gute Lösung besteht darin, im GF-Reporting die Bereiche SEO und SEA zusammenzulegen. Denn tatsächlich profitiert der SEO Bereich ja von eingestellten SEA Brand-Kampagnen. Ohne jetzt hier im Kommentar noch weiter auszuholen, hat ein übergreifendes SEM Reporting auch noch einige weitere Vorteile (Budgetverteilung, Zieldefinitionen, Kontoausbau, Motivation im Team, Zusammenarbeit SEA/SEO, Customer Journey,…).

    So läßt sich relativ einfach eine einheitliche KUR für den Bereich SEM reporten. Und das Gute dabei ist – dieses Reporting ist nicht schöngerechnet oder gefaked, sonder entspricht tatsächlich der Qualität des Suchmaschinenmarketings.

    Die Argumentation von pro oder contra Brandkampagnen ist damit dann auch kein GF – Thema mehr, sondern muß nur noch zwischen der SEA und SEO Abteilung abgestimmt werden.

    Viele Grüße aus Bayern
    Thorsten

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