Branding-Anzeigen – lohnt sich das? (Teil 2)
Bei der Entscheidung, ob für den eigenen Unternehmens- oder Markennamen AdWords-Anzeigen geschaltet werden sollen, stand in der Vergangenheit meistens das Argument der Markenbildung im Vordergrund (siehe erster Artikel der Reihe). In letzter Zeit wird aber die Abwehr von Wettbewerbern immer mehr zum Hauptargument für eine solche Anzeigenschaltung. Denn seitdem fremde Marken praktisch offiziell und uneingeschränkt als Keywords freigegeben sind, wird eine versucht der eine oder andere schon mal, bei Konkurrenten Traffic abzugreifen. Besonders ärgerlich ist das, wenn dann eine Anzeige der Konkurrenz auf dem ersten Platz oberhalb der organischen Suchergebnisse auftaucht, was dann nicht nur der eigenen Marke schadet, sondern auch ganz konkret Kunden kostet.
Wettbewerber fernhalten
Mit einer eigenen Anzeige lassen sich Wettbewerber aber einfach und effektiv von der Top-Position fernhalten. Weil die Klickwahrscheinlichkeit der eigenen Anzeigen für die eigenen Markenbegriffe oder den Unternehmensnamen extrem hoch ist, profitiert man hier von einem besonders hohen Qualitätsfaktor. Ein Wettbewerber, der diesen Vorteil nicht hat, müsste das durch ein deutlich höheres Gebot ausgleichen, um sich doch noch die erste Position zu sichern.
Die AdWords-Mechanismen sorgen aber auch über die erste Position hinaus für Zutrittsbarrieren. Denn es ist keineswegs so, dass ein Wettbewerber sich dann für kleines Geld einfach mit dem zweiten Platz zufrieden geben könnte. Beim eigenen Markennamen bewirken der eigene hohe Qualitätsfaktor und die niedrigen Qualitätsfaktoren von Wettbewerbern, dass die Mindestgebote für andere Werbetreibende vergleichsweise hoch liegen. Um oberhalb der organischen Suchergebnisse zu erscheinen, und sei es nur auf dem zweiten oder dritten Platz, muss eine noch höhere Hürde genommen werden. In der Praxis verdrängen Branding-Anzeigen die Konkurrenz deshalb meistens an die Seite, wie etwa in diesem Fall:
Für Wettbewerber wird das Bieten auf den Namen des Markeninhabers also sehr viel teurer, selbst wenn sie es nur auf die hinteren Plätze abgesehen haben. Bietet der Markeninhaber aber nicht selbst mit, liegt das Mindestgebot deutlich niedriger, so dass Wettbewerber freie Bahn haben und wesentlich niedrigere Preise zahlen.
In diesem Zusammenhang sollte man auch bedenken, dass Anzeigenschaltungen von Wettbewerbern auch unabsichtlich passieren können. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Keyword-Option weitgehend passend (Broad Match) schnell passiert. Bucht jemand beispielsweise das Wort “seo” mit dieser Option ein, so könnte es passieren, dass Google die Suchanfrage “internetkapitäne” als weitgehend passend für das Keyword “seo” annimmt und somit eine Anzeigenschaltung stattfinden könnte. Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt dann davon ab, ob das zugehörige Gebot die Schwelle des Mindestgebots überschreitet. Und diese Schwelle hängt eben auch davon ab, ob der Markeninhaber selbst mitbietet.
Nicht mit der Brechstange
Übrigens sollten Werbetreibende es bei den Geboten für ihre eigenen Marken- oder Unternehmensnahmen nicht übertreiben. Wer bei CPCs von unter fünf Cent schon auf Platz 1,0 steht, kommt möglicherweise auf die Idee, ein Gebot von fünf oder gar fünfzig Euro mache keinen Unterschied mehr, weil man ja eh nur ein paar Cent zahlt. Allerdings kann es durchaus vorkommen, dass der Qualitätsfaktor stellenweise mal ins Bodenlose fällt, etwa, wenn ein Nutzer sehr, sehr oft nach dem Unternehmensnamen gesucht, aber nie auf die Anzeige geklickt hat. Weil die Klickwahrscheinlichkeit dann für diesen Nutzer sehr niedrig geschätzt wird, kann es vorkommen, dass, wenn es dann doch mal zu einem Klick kommt, plötzlich ein sehr hoher Klickpreis fällig wird.
Mehr zum nutzerspezifischen Qualitätsfaktor kann im aktuellen suchradar (Ausgabe 31) oder direkt im suchradar-Archiv nachgelesen werden: Der Nutzer als Qualitätsfaktor-Kriterium .
Apropos Qualitätsfaktor
Wie schon gesagt, die Klickwahrscheinlichkeiten sind für den eigenen Unternehmensnamen immer herausragend hoch. Viele AdWords-Spezialisten glauben, dass sich die hohen Klickraten positiv auf die Kontohistorie auswirken und dass die Kontohistorie wiederum in alle anderen Qualitätsfaktoren mit eingeht. Es wird daher oft behauptet, dass sich die Branding-Anzeigen auf diesem Wege positiv auf den Rest des Kontos auswirken. Überprüfen lässt sich das nicht, allerdings wurde es von Spezialisten inzwischen so oft wiederholt, dass es mittlerweile praktisch als Fakt durchgeht. Ich persönlich halte das inzwischen allerdings für Unsinn.
Wie unter anderem hier im Blog und im suchradar (Ausgabe 29 ) dargelegt, denke ich, dass der Qualitätsfaktor kein mystisches, subjektives Maß für Qualität ist, sondern schlicht eine Schätzung der Klickwahrscheinlichkeit. Je genauer diese Schätzung, desto mehr Geld verdient Google. Anders herum: Fehlschätzungen kosten Google Geld.
Aus der Performance von Branding-Anzeigen Schlüsse für die Klickwahrscheinlichkeit von ganz normalen Anzeigen zu ziehen, wäre ganz klar eine Fehleinschätzung. Denn jeder weiß, dass Branding-Anzeigen einen Sonderfall darstellen und überhaupt keinen Rückschluss auf die anderen Elemente eines AdWords-Kontos zulassen. Dieser Sonderfall kommt in praktisch jedem Konto vor, so dass es für Google schlichtweg dumm wäre, die Problematik zu ignorieren. Es wäre für Google aber auch dumm, hier Aufklärung zu betreiben – schließlich profitiert Google auch von Branding-Anzeigen noch ganz gut.
Im dritten Teil der Reihe geht es in ein paar Tagen um die Problematik des Reportings im Zusammenhang mit Branding-Anzeigen. Bis dahin freue ich mich wieder über Kommentare.
Martin Röttgerding
Martin Röttgerding ist Head of SEA in der Online-Marketing-Agentur Bloofusion und schreibt schwerpunktmäßig über Google Ads im Bloofusion-Blog und hin und wieder in seinem SEA-Profi-Blog PPC Epiphany.
Martin Röttgerding ist auf LinkedIn zu finden.
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